Die große Mehrheit der Muslime gehört zu der Richtung der Sunniten.
Dieser Name ist eine Kurzform der Selbstbezeichnung „die Anhänger des
Brauchs und der Gemeinschaft“, die sich die Gelehrten gaben, welche sich
am Brauch (arab. sunna = „Brauch“) der ersten Nachfolger Muhammads, der
Kalifen, sowie dem der Mehrheit der Gläubigen orientierten. Dies
geschah in Abgrenzung gegenüber zahlreichen Splittergruppen, die nur von
wenigen Muslimen gebilligte Sonderlehren vertraten, wie etwa die
Auffassung der Schiiten, dass nur Muhammads Cousin und Schwiegersohn Ali
und seine Nachkommen das Recht hätten, das politische Oberhaupt (Kalif,
Imam) aller Muslime zu stellen. Die Sunniten unterscheiden sich
heutzutage im Glauben und in der religiösen Praxis kaum von der Mehrheit
der Schiiten; in beiden Hauptrichtungen des Islams gibt es jedoch
verschiedene Rechtsschulen, Sufi-Orden und kleinere Sekten. Die Schiiten
sind gegenüber den Sunniten in der Minderheit. In den ersten
Jahrzehnten nach dem Tode Muhammads gab es Auseinandersetzungen über die
Frage, wer dazu berechtigt sei, die Geschicke der Gemeinschaft zu
lenken. War jeder gläubige Muslim dazu berechtigt oder nur eine Person
aus dem Stamm des Propheten? Während die letzere Meinung sich
durchsetzte, bald aber ihre praktische Bedeutung verlor, vertrat eine
Gruppierung die Ansicht, nur der bereits genannte Ali sowie seine Söhne
seien berechtigt, die muslimische Gemeinschaft, die Umma, zu führen. Ali
und seine Nachfolger, die meistens keine politische Macht besaßen,
wurden als Imame bezeichnet und später hoch verehrt. Verschiedene
Gruppen unter den Ali-Anhängern betrachteten im Laufe der Zeit
unterschiedlich lange Reihen von Imamen als maßgeblich: Manche erkannten
nur vier, andere sechs gemeinsame Imame an, wobei die Imam-Reihen teils
bis heute weiterexistieren. Die Richtung, welche insgesamt zwölf Imame
anerkannte, deren letzter in die „Verborgenheit“ entrückt wurde und als
Mahdi („Rechtgeleiteter“) am Ende der Zeiten wiederkehren soll, werden
als Imamiten oder Zwölfer-Schiiten bezeichnet. Sie bilden die Mehrheit
der Bevölkerung im Iran und Irak. Im Libanon sind sie die größte
religiöse Gruppierung. Im schiitischen Islam entstanden im Laufe der
Zeit sehr viele Sekten und Sondergemeinschaften. Die Aleviten, die ja
die zwölf Imame verehren, sind eine davon. Da die beiden muslimischen
Hauptrichtungen, Sunniten und Schiiten, sich nicht wegen theologischer,
sondern wegen politischer Differenzen auseinanderentwickelt haben,
unterscheiden sie sich nicht in zentralen Glaubensinhalten. Sunniten und
Schiiten bewerten einige Überlieferungen über das Leben Muhammads,
besonders aber einen Teil der von ihm überlieferten Aussprüche (Hadithe)
unterschiedlich. Die Glaubwürdigkeit vieler Aussprüche und Berichte
wird unter anderem daran festgemacht, auf welcher Seite die
überliefernde Person in der Auseinandersetzung um Ali und das Kalifat
standen.